Ein Bild vom Möglichen erzeugen: Fotografie als Medium des Placemaking

Selten finden Placemaker*innen einen Ort als „unbeschriebenes Blatt“ vor, denn auch in Übergangsphasen bleibt er Bedeutungsträger in einem gegebenen Kontext und ist eingebettet in gewachsene Strukturen. Fotografie nach Placemaking-Maßstäben erzählt die Transformationsgeschichte von Orten und erzeugt während der Entwicklung eine kraftvolle Vorstellung von deren künftiger Neuentfaltung.

Fotografien als Moment der Zukunftserfahrung

Im Entwicklungsprozess die Vision für einen Ort zu verbildlichen, ist keine leichte Aufgabe. Will man Betrachter*innen auf einen Blick in den Bann ziehen und begeistern, ist die Wahl des Mediums und die Art der Darstellung bewusst zu treffen. Gute Fotografie kann der Schlüssel sein, um Künftiges aufzuzeigen ohne dass die gegenwärtige Qualität des Ortes, auch das Bewahrenswerte, übersehen werden kann.

Im Placemaking kann Fotografie als Instrument eingesetzt werden, um, statt nur den Ist-Zustand zu dokumentieren, auch die Potentiale eines Ortes erkennbar zu machen. Sich explorierend mit dem genius loci, dem „Geist des Ortes“, auseinanderzusetzen, ist entscheidend dabei, denn nur so lassen sich offensichtliche wie auch verborgene Besonderheiten und Brüche wahrnehmen, dadurch Möglichkeitsräume aufzeigen. Eine Fotografie in diesem Sinne transformiert ein existierendes Vorstellungsbild, öffnet für Neues und erzählt von der möglichen Zukunft eines Ortes.

Es geht also weniger um Dokumentation, vielmehr um Inspiration: Ein Bild, ein Blick, ein Gefühl für das, was hier mal werden könnte. Die Fotografie wird zum Auslöser für eine neue Wahrnehmung des Ortes und dessen Identität.Gute Fotografie im Sinne von Placemaking zeichnet aus:

  • Verheißung: Die Atmosphäre, die das Bild transportiert, vermittelt ein Bewusstsein/Wissen um die potentiellen Qualitäten des Ortes.
  • Erkennbarkeit: Sowohl bewahrenswerte als auch entwickelbare Merkmale werden sichtbar gemacht.
  • Vielschichtigkeit: Der Ort wird als mehrdimensionaler Raum, mit  vielseitigen (emotionalen und kommunikativen) Anknüpfungspunkten, etabliert.
  • Unabgeschlossenheit: Das Motiv ist in sich stimmig, wirkt jedoch nicht abgeschlossen; soll heißen: es lädt jede*n ein, es in der eigenen Vorstellung weiterzuspinnen.
  • Unmittelbarkeit: Nur ein Bild, das die Kraft hat, innerhalb weniger Sekunden zu seinen Betrachter*innen durchzudringen, wird zum bleibenden Eindruck.

Essentiell für die Umsetzung ist die Form des Briefings und das Vertrauen zwischen Placemaker*in und Fotograf*in. Und es kommt, natürlich, auf das Timing an: In sämtlichen Phasen der Entwicklung gilt es, immer wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort des Ortes zu sein, die Placemaking-Maßstäbe deutlich vor Augen habend. Die gelungene mediale Vermittlung einer Projektvision kann im Entwicklungsprozess entscheidende Wendepunkte auslösen; Initialzündung sein, ungeahnte Möglichkeiten aufzeigen, von einer ungewöhnlichen Perspektive überzeugen.

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Sämtliche in diesem Beitrag gezeigten Bilder sind im Rahmen von REALACE Projekten und in enger Zusammenarbeit dem Fotografen Jonas Holthaus entstanden.