Während unsere Gesellschaft noch in Krisen und Klimawandel taumelt, liegt die deutsche Immobilienbranche und Stadtentwicklung schon am Boden und wird angezählt. Knock out in wenigen Monaten, wobei die letzten Runden auch schon nicht mehr so glorreich verliefen. Schon im Fallen spüren wir wie schwer die Gewichte von Finanzierung, Baupreisen, fallenden Mieten wiegen, die diesmal auf uns lagern und am Boden halten, bis wir wieder aufstehen können.
Da ist es auch wenig Trost, das nicht um alles schade ist, was mit uns zu Boden ging. Es blitzt auf, dass jede Krise ja immer die sprichwörtliche Chance zur Erneuerung ist. Aber vorerst gilt es Bilanz zu ziehen und die Vergangenheit vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen: Ja es sieht so aus, als hätten wir dem Spezialtrainer für nachhaltige Trainingsmethoden nie richtig zugehört, der ständig rief die Verteidigung nicht zu vergessen und den harten Schlägen auszuweichen. Gut, einige von diesen Treffern, wie die Corona Krise oder Kriege in Europa scheinen unvorhergesehen, aber in Summe der Einschläge kann man bei genauer Betrachtung kaum behaupten, dass die Folgen nicht etwa durch vorheriges Missmanagement im Wohnungsbau oder mangelnden pushen von baulichen Innovationen und Entwicklungsprozessen wahrscheinlich waren. Die jüngsten Ereignisse haben nur radikal die Systemfehler offen gelegt und neue Verhaltensweisen wie das mobile Arbeiten gepusht.
Auf den Brettern, die die Welt bedeuten angeschlagen liegend, dämmert uns Gestaltern von Bauten und Städten nun auch noch eine fundamentale Seinskrise. Das allgemeine und vor allem jugendliche Publikum am Ring schreit uns an, dass es besser wäre, doch gar nichts Neues mehr zu schaffen. Wie Prof. Dr. Eckhart Hertzsch vom Buro Happold im Futureplace Dialog aufzeigt, müssen wir uns eingestehen, dass jeder Schritt etwas Neues zu bauen, erst einmal eine Verschlechterung der Gesamtsituation im Bereich der Nachhaltigkeit bedeutet. Mit dem Stranding Point, also dem Zeitpunkt an dem das Bauwerk nicht mehr den Regularien entspricht, haben wir jetzt auch den eigenen Kipppunkt für Einzelimmobilien gefunden.
Bestandsimmobilien geraten durch kombinierte Effekte aus Finanzierungs-, Klimaschutz- und Marktveränderungen unter Druck von signifikanten Wertverlusten.
Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte bedeutet das liegen lassen von Immobilien wohl nicht eine mittelfristige Wertsteigerung. Im Gegenteil: eine unzureichende Erfüllung von Nachhaltigkeitsanforderungen kann zu massiven Wertverlusten zwischen 15 und 60% je nach Schwere der globalen Erwärmung führen. Über den Immobilienbesitzern schwebt ein Damokles Schwert: Sie sollten eigentlich die Hoffnungsträger sein, da die Zukunft der Nachhaltigkeit im Bestand liegt. Sie werden aber bestraft, da ihre Immobilien noch nicht und vielleicht niemals die hohen Zukunftsstandards entsprechen können.
Um wieder in den Ring steigen zu können müssen wir uns als Gestalter und als Branche neu erfinden. Aber wie, wenn jeder schöpferische Akt die Situation schnell verschlechtert? Kann es die Rolle einer Generation sein, alles nur in Demut aufzuräumen und irgendwie Fehler zu korrigieren und zu sanieren? Denn das ist die jetzige Situation: Eine Generationenaufgabe, vielleicht auch für mehrere. Große Aufgaben meistert man aber nicht defensiv. Wir brauchen eine neue Ingenieurskunst und Baukunst – eine des Weiterdenkens. Glücklicherweise ist sie vielerorts schon im Werden, mit interessanten Start-ups und neuen Ansätzen.
Aber leider garantieren noch so intelligente Bauwerke noch lange keine nachhaltige und wirtschaftliche Bilanz. Ist das Bauwerk un- oder untergenutzt bleibt es ökonomisch und ökologisch ein Problemfall. Das nachhaltige Nutzen ist in der Diskussion eine weiterhin unterschätzte Größe. Wir scheuen diese Debatte. Dabei ist bei gleich hoher CO2 Bilanz etwa eine höhere Nutzungsdauer pro Kopf deutlich nachhaltiger Und nur ein gut genutztes Objekt wird dauerhaft wirtschaftlich werthaltig sein. Wir brauchen also neben der Ingenieurskunst des Weiterdenkens, eine Kunst oder Geschicklichkeit des Nutzens. Altes, neuer Attraktivität zuführen, erhöhte Ausnutzung geschickt als positives Erlebnis präsentieren sowie Trends und Märkte für bestehende Situationen und Voraussetzungen erkennen.
Im Rahmen des Dialogformats Futureplace haben Buro Happold und REALACE erkannt, dass es mittels der Kombination dieser beiden Künste, der Kombination ihrer Schlüsselkompetenzen, zu einer Wiedergeburt von Bauten kommen sollte. Thomas Sevcik von arthesia, brachte das dankenswerterweise mit dem Begriff der Renaissance Assets auf den Punkt. Ein Analyse-Radar, Toolbox und Vorgehensmodell sind die Basis für diesen integrierten Lösungsansatz. Im Gespräch mit KCAP hat er sich nun auch erweitert auf den Ansatz der Urban Renaissance.
Die Revitalisierung der Platte – eine vergessene Immobilie aus DDR-Zeiten wird in eine Arbeitsumgebung von neuem Wert verwandelt.
Einzelhandel: Rückschritt für Fortschritt
In 15 Jahren bis 2019 sind bereits 40% aller Kaufhäuser geschlossen worden. Und dieser Trend wird anhalten, denn es sind nicht nur Pech und Missmanagement. Wir sollten als Gesellschaft ehrlich sein: Wir wollen sie nicht mehr! Es sind die ersten Dinosaurier des Handels und bilden nur an wenigen Stellen des Exklusiven unsere Bedürfniswelt ab. Andere monokulturelle Einzelhandelstypologien werden wahrscheinlich zumindest auf dem Rückzug sein. In A-Lagen und Städten mit guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die Revitalisierung von Einzelhandelsstandorten und -immobilien mit neuen Nutzungsmischungen noch vergleichsweise unproblematisch, wenn es auch oft einen Komplettumbau bedeutet aufgrund der geometrischen und schwer zu belichteten Bauwerke. In B-Lagen wird es schon enger.
Neue Nutzungsansätze, die auch ESG-Anforderungen und CO2-Reduzierung bedürfen, sind unbedingt mit sozialen Aspekten zu koppeln. Die urbane Funktion der Einzelhandelszentren muss für die Attraktivität unserer Städte mit anderen Mitteln aufgefangen werden. Das stärkt auch wieder den Handel auf einem verkleinerten Niveau. Es empfiehlt sich über eine neue Typologie von Gemeinschaftshäusern nachzudenken, die mit geschicktem Nutzungsmix wertvoll und wirtschaftlich einen tragfähigen Nutzen für belebte Stadtzentren bieten. Wir nennen solche Orte COMMUNITY PLACES. Die lokale Gemeinschaft erlebt den Wert des Ortes und unterstützt ihn durch seine Nutzung und die Identifikation damit. Im ESG-Rating sollte dann ein dickes S eingeschränkte Optionen beim E überkompensieren.
Gewerbe: Neue Motivationen für den Umbau
Der Dialog mit Martin Czaja von inbright brachte zum Ausdruck, dass ein breiter Konsens vorhanden ist und viele Konzepte vorliegen, die ökologische Sanierung von Gewerbeobjekten anzugehen. Allerdings fällt es wohl in einer Branche, die in den vergangenen Jahren große, wirtschaftliche Erfolge gewöhnt war schwer, in nur wenig ertragreiche reine Sanierungsprojekte zu investieren. Auf der anderen Seite zeigt Jirka Stracken von CBRE auf, dass in allein Berlin schon 17,1 Millionen m² Büro älter als 15 Jahre und damit potenziell gefährdet sind, den erforderlichen Standards bald nicht mehr zu entsprechen. Die Herausforderung ist also massiv. Es stellt sich nicht nur die Aufgabe Ansätze zu entwickeln, wie der notwendige nachhaltige Upgrade gelingen kann, sondern er muss einher gehen mit einer Attraktivitätssteigerung der Immobilie für den Nutzer oder Investor.
Die Erhöhung der Nutzendichte ist hier eine Schlüsseldiskussion: Zum einen durch Reorganisation, so dass Mieter sinnvoll weniger Fläche pro MA verbrauchen, die heute deutlich weniger vor Ort sind, zum anderen durch eine höhere Grundstücksausnutzung. Ein weiterer Aspekt greift über das konkrete Grundstück hinaus und sieht die Stadt als System: Denn vieles, was nicht durch den Einzelnen gelöst werden kann – etwa im Energiemanagement – kann im Zusammenwirken der Nachbarschaft gelingen.
Luitpoldblock – Eine vertikale Agora als soziale Mitte der Begegnung
Quartier: Ökologisches Handeln im System Stadt
Die Nachbarschaft als Ökosystem von Lösungen im Verbund steht auch im Zentrum von unserem Dialog mit Prof Ute Schneider von KCAP, die ein besonderes Augenmerk auf infrastrukturgetriebene Stadtentwicklung hat. Die Lösung kann oftmals gar nicht bei der einzelnen Immobilie liegen, sondern nur im Verbund von Quartieren und Stadtteilen. Es braucht also auch eine Urban Renaissance, denn derzeit fallen einige Urbanität-Bausteine durch den Niedergang des Einzelhandels weg. Die Steigerung des Sozialen zur Hebung der Attraktivität von Stadt steht ebenso im Mittelpunkt wie übergreifende technologische Lösungen im Sustainable Engineering. Wahrscheinlich braucht es auch eine Art Business Improvement District für nachhaltige Stadtsanierung und Steigerung von Urbanität.
Aber auch hier gilt: Wir brauchen Geschäftsideen für das Neue und Anreizsysteme für Investments, die nicht nur auf einer Förderlandschaft beruhen, sondern ein neues wirtschaftliches Handeln etablieren. Dies bedeutet Energiemanagement unter die Lupe zu nehmen und die Nutzer etwa zu Produzenten zu machen, um den Nutzen pro Fläche zu erhöhen. So wird Wandel attraktiv. Wohlgemerkt sprechen wir vom „Nutzen“, also dem Mehrwert für den Konsumenten und nicht die „Ausnutzung“, welche oftmals nur einen Mehrwert für den Anbieter darstellt. Die Ausnutzung sollte dann erhöht werden, wenn auch der Nutzen für den Konsumenten steigt.
Ausblick: Eine Renaissance des Mutigen
Der Begriff der Renaissance ist bei näherer Betrachtung ein Großer. Und auch hier kann man lernen aus dem Bestehenden – der Geschichte. Die Epoche der Renaissance hat verlorene Qualitäten der Antike wiederentdeckt, mit der direkten Vergangenheit des dunklen Mittelalters gebrochen und die Vorstellung und Baukunst der Antike gepaart mit einem bisher beispiellosen technologischen Fortschritt. So wurde eine Vielzahl herausragender Bauwerke geformt. Kultur und Kunst blühten auch durch ein neues Raumverständnis der Perspektive auf. Verstehen und Gestalten der Perspektive wurden zum verbindenden Element zwischen den Künsten von Malerei bis Bauwerk. Was damals die Erkenntnis der Perspektive war, ist heute vielleicht diejenige des systemischen, organischen Zusammenwirkens, der Wechselwirkung von allem mit jedem innerhalb eines räumlichen Umfeldes und den Auswirkungen auf unser Klima, Umwelt und Lebensqualität. Das Paradigma des Ökosystems wird zur breiten Erkenntnis zwischen den Disziplinen im Ökologischen, Ökonomischen und hoffentlich auch bald in der Stadtentwicklung.
Der Mensch hat sich in der Renaissance gelöst aus einem überkommenden Wertesystem und angefangen über sich selbst nachzudenken. Dieser Prozess führte in mutige Vorgehensweisen der Erneuerung. Konkurrenz zwischen Regionen und Stadtstaaten waren ein Treiber der Innovation und Kreativität. Vielleicht würde uns auch wieder ein stärkerer Wettbewerb von Regionen und Städten helfen. Beispielsweise in Bezug auf die beste Bauordnung, die Bauen mit Bestand beflügelt, statt ihn in eine schwache Konkurrenzsituation zum Klimaschädling Neubau zu stellen, sobald man nur daran denkt mit dem Bauen zu beginnen.
Eine Wiedergeburt des mutigen Gestaltens ist gefragt, das von den technischen Innovationen des Einfachen ausgeht und das clevere Nutzen von Bestehendem ins Zentrum stellt. Es wird aber notwendig sein, regenerative Energie zu ernten, wo wir nur können. Denn nur so lässt sich überbrücken, dass ein Bestandsbau selten sinnvoll den betrieblichen Energieverbrauch auf ein absolutes Minimum optimieren kann. Es muss belohnt werden mit weniger mehr zu machen und eine höhere Dichte des Nutzens zu erreichen.
Seien wir gemeinsam mutiger, gehen wir mit einer neuen Taktik gewappnet in die nächste Runde und leiten wie die Renaissance Stadt und des Bauens in diesem Sinne ein.
Während unsere Gesellschaft noch in Krisen und Klimawandel taumelt, liegt die deutsche Immobilienbranche und Stadtentwicklung schon am Boden und wird angezählt. Knock out in wenigen Monaten, wobei die letzten Runden auch schon nicht mehr so glorreich verliefen. Schon im Fallen spüren wir wie schwer die Gewichte von Finanzierung, Baupreisen, fallenden Mieten wiegen, die diesmal auf uns lagern und am Boden halten, bis wir wieder aufstehen können.
Da ist es auch wenig Trost, das nicht um alles schade ist, was mit uns zu Boden ging. Es blitzt auf, dass jede Krise ja immer die sprichwörtliche Chance zur Erneuerung ist. Aber vorerst gilt es Bilanz zu ziehen und die Vergangenheit vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen: Ja es sieht so aus, als hätten wir dem Spezialtrainer für nachhaltige Trainingsmethoden nie richtig zugehört, der ständig rief die Verteidigung nicht zu vergessen und den harten Schlägen auszuweichen. Gut, einige von diesen Treffern, wie die Corona Krise oder Kriege in Europa scheinen unvorhergesehen, aber in Summe der Einschläge kann man bei genauer Betrachtung kaum behaupten, dass die Folgen nicht etwa durch vorheriges Missmanagement im Wohnungsbau oder mangelnden pushen von baulichen Innovationen und Entwicklungsprozessen wahrscheinlich waren. Die jüngsten Ereignisse haben nur radikal die Systemfehler offen gelegt und neue Verhaltensweisen wie das mobile Arbeiten gepusht.
© ProjektSHED, Community Hall / Klingsöhr Projektentwicklung GmbH
Auf den Brettern, die die Welt bedeuten angeschlagen liegend, dämmert uns Gestaltern von Bauten und Städten nun auch noch eine fundamentale Seinskrise. Das allgemeine und vor allem jugendliche Publikum am Ring schreit uns an, dass es besser wäre, doch gar nichts Neues mehr zu schaffen. Wie Prof. Dr. Eckhart Hertzsch vom Buro Happold im Futureplace Dialog aufzeigt, müssen wir uns eingestehen, dass jeder Schritt etwas Neues zu bauen, erst einmal eine Verschlechterung der Gesamtsituation im Bereich der Nachhaltigkeit bedeutet. Mit dem Stranding Point, also dem Zeitpunkt an dem das Bauwerk nicht mehr den Regularien entspricht, haben wir jetzt auch den eigenen Kipppunkt für Einzelimmobilien gefunden.
Bestandsimmobilien geraten durch kombinierte Effekte aus Finanzierungs-, Klimaschutz- und Marktveränderungen unter Druck von signifikanten Wertverlusten.
Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte bedeutet das liegen lassen von Immobilien wohl nicht eine mittelfristige Wertsteigerung. Im Gegenteil: eine unzureichende Erfüllung von Nachhaltigkeitsanforderungen kann zu massiven Wertverlusten zwischen 15 und 60% je nach Schwere der globalen Erwärmung führen. Über den Immobilienbesitzern schwebt ein Damokles Schwert: Sie sollten eigentlich die Hoffnungsträger sein, da die Zukunft der Nachhaltigkeit im Bestand liegt. Sie werden aber bestraft, da ihre Immobilien noch nicht und vielleicht niemals die hohen Zukunftsstandards entsprechen können.
Um wieder in den Ring steigen zu können müssen wir uns als Gestalter und als Branche neu erfinden. Aber wie, wenn jeder schöpferische Akt die Situation schnell verschlechtert? Kann es die Rolle einer Generation sein, alles nur in Demut aufzuräumen und irgendwie Fehler zu korrigieren und zu sanieren? Denn das ist die jetzige Situation: Eine Generationenaufgabe, vielleicht auch für mehrere. Große Aufgaben meistert man aber nicht defensiv. Wir brauchen eine neue Ingenieurskunst und Baukunst – eine des Weiterdenkens. Glücklicherweise ist sie vielerorts schon im Werden, mit interessanten Start-ups und neuen Ansätzen.
Aber leider garantieren noch so intelligente Bauwerke noch lange keine nachhaltige und wirtschaftliche Bilanz. Ist das Bauwerk un- oder untergenutzt bleibt es ökonomisch und ökologisch ein Problemfall. Das nachhaltige Nutzen ist in der Diskussion eine weiterhin unterschätzte Größe. Wir scheuen diese Debatte. Dabei ist bei gleich hoher CO2 Bilanz etwa eine höhere Nutzungsdauer pro Kopf deutlich nachhaltiger Und nur ein gut genutztes Objekt wird dauerhaft wirtschaftlich werthaltig sein. Wir brauchen also neben der Ingenieurskunst des Weiterdenkens, eine Kunst oder Geschicklichkeit des Nutzens. Altes, neuer Attraktivität zuführen, erhöhte Ausnutzung geschickt als positives Erlebnis präsentieren sowie Trends und Märkte für bestehende Situationen und Voraussetzungen erkennen.
Die Revitalisierung der Platte – eine vergessene Immobilie aus DDR-Zeiten wird in eine Arbeitsumgebung von neuem Wert verwandelt.
Einzelhandel: Rückschritt für Fortschritt
In 15 Jahren bis 2019 sind bereits 40% aller Kaufhäuser geschlossen worden. Und dieser Trend wird anhalten, denn es sind nicht nur Pech und Missmanagement. Wir sollten als Gesellschaft ehrlich sein: Wir wollen sie nicht mehr! Es sind die ersten Dinosaurier des Handels und bilden nur an wenigen Stellen des Exklusiven unsere Bedürfniswelt ab. Andere monokulturelle Einzelhandelstypologien werden wahrscheinlich zumindest auf dem Rückzug sein. In A-Lagen und Städten mit guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die Revitalisierung von Einzelhandelsstandorten und -immobilien mit neuen Nutzungsmischungen noch vergleichsweise unproblematisch, wenn es auch oft einen Komplettumbau bedeutet aufgrund der geometrischen und schwer zu belichteten Bauwerke. In B-Lagen wird es schon enger.
Neue Nutzungsansätze, die auch ESG-Anforderungen und CO2-Reduzierung bedürfen, sind unbedingt mit sozialen Aspekten zu koppeln. Die urbane Funktion der Einzelhandelszentren muss für die Attraktivität unserer Städte mit anderen Mitteln aufgefangen werden. Das stärkt auch wieder den Handel auf einem verkleinerten Niveau. Es empfiehlt sich über eine neue Typologie von Gemeinschaftshäusern nachzudenken, die mit geschicktem Nutzungsmix wertvoll und wirtschaftlich einen tragfähigen Nutzen für belebte Stadtzentren bieten. Wir nennen solche Orte COMMUNITY PLACES. Die lokale Gemeinschaft erlebt den Wert des Ortes und unterstützt ihn durch seine Nutzung und die Identifikation damit. Im ESG-Rating sollte dann ein dickes S eingeschränkte Optionen beim E überkompensieren.
Gewerbe: Neue Motivationen für den Umbau
Der Dialog mit Martin Czaja von inbright brachte zum Ausdruck, dass ein breiter Konsens vorhanden ist und viele Konzepte vorliegen, die ökologische Sanierung von Gewerbeobjekten anzugehen. Allerdings fällt es wohl in einer Branche, die in den vergangenen Jahren große, wirtschaftliche Erfolge gewöhnt war schwer, in nur wenig ertragreiche reine Sanierungsprojekte zu investieren. Auf der anderen Seite zeigt Jirka Stracken von CBRE auf, dass in allein Berlin schon 17,1 Millionen m² Büro älter als 15 Jahre und damit potenziell gefährdet sind, den erforderlichen Standards bald nicht mehr zu entsprechen. Die Herausforderung ist also massiv. Es stellt sich nicht nur die Aufgabe Ansätze zu entwickeln, wie der notwendige nachhaltige Upgrade gelingen kann, sondern er muss einher gehen mit einer Attraktivitätssteigerung der Immobilie für den Nutzer oder Investor.
Die Erhöhung der Nutzendichte ist hier eine Schlüsseldiskussion: Zum einen durch Reorganisation, so dass Mieter sinnvoll weniger Fläche pro MA verbrauchen, die heute deutlich weniger vor Ort sind, zum anderen durch eine höhere Grundstücksausnutzung. Ein weiterer Aspekt greift über das konkrete Grundstück hinaus und sieht die Stadt als System: Denn vieles, was nicht durch den Einzelnen gelöst werden kann – etwa im Energiemanagement – kann im Zusammenwirken der Nachbarschaft gelingen.
Luitpoldblock – Eine vertikale Agora als soziale Mitte der Begegnung
Quartier: Ökologisches Handeln im System Stadt
Die Nachbarschaft als Ökosystem von Lösungen im Verbund steht auch im Zentrum von unserem Dialog mit Prof Ute Schneider von KCAP, die ein besonderes Augenmerk auf infrastrukturgetriebene Stadtentwicklung hat. Die Lösung kann oftmals gar nicht bei der einzelnen Immobilie liegen, sondern nur im Verbund von Quartieren und Stadtteilen. Es braucht also auch eine Urban Renaissance, denn derzeit fallen einige Urbanität-Bausteine durch den Niedergang des Einzelhandels weg. Die Steigerung des Sozialen zur Hebung der Attraktivität von Stadt steht ebenso im Mittelpunkt wie übergreifende technologische Lösungen im Sustainable Engineering. Wahrscheinlich braucht es auch eine Art Business Improvement District für nachhaltige Stadtsanierung und Steigerung von Urbanität.
Aber auch hier gilt: Wir brauchen Geschäftsideen für das Neue und Anreizsysteme für Investments, die nicht nur auf einer Förderlandschaft beruhen, sondern ein neues wirtschaftliches Handeln etablieren. Dies bedeutet Energiemanagement unter die Lupe zu nehmen und die Nutzer etwa zu Produzenten zu machen, um den Nutzen pro Fläche zu erhöhen. So wird Wandel attraktiv. Wohlgemerkt sprechen wir vom „Nutzen“, also dem Mehrwert für den Konsumenten und nicht die „Ausnutzung“, welche oftmals nur einen Mehrwert für den Anbieter darstellt. Die Ausnutzung sollte dann erhöht werden, wenn auch der Nutzen für den Konsumenten steigt.
Ausblick: Eine Renaissance des Mutigen
Der Begriff der Renaissance ist bei näherer Betrachtung ein Großer. Und auch hier kann man lernen aus dem Bestehenden – der Geschichte. Die Epoche der Renaissance hat verlorene Qualitäten der Antike wiederentdeckt, mit der direkten Vergangenheit des dunklen Mittelalters gebrochen und die Vorstellung und Baukunst der Antike gepaart mit einem bisher beispiellosen technologischen Fortschritt. So wurde eine Vielzahl herausragender Bauwerke geformt. Kultur und Kunst blühten auch durch ein neues Raumverständnis der Perspektive auf. Verstehen und Gestalten der Perspektive wurden zum verbindenden Element zwischen den Künsten von Malerei bis Bauwerk. Was damals die Erkenntnis der Perspektive war, ist heute vielleicht diejenige des systemischen, organischen Zusammenwirkens, der Wechselwirkung von allem mit jedem innerhalb eines räumlichen Umfeldes und den Auswirkungen auf unser Klima, Umwelt und Lebensqualität. Das Paradigma des Ökosystems wird zur breiten Erkenntnis zwischen den Disziplinen im Ökologischen, Ökonomischen und hoffentlich auch bald in der Stadtentwicklung.
Der Mensch hat sich in der Renaissance gelöst aus einem überkommenden Wertesystem und angefangen über sich selbst nachzudenken. Dieser Prozess führte in mutige Vorgehensweisen der Erneuerung. Konkurrenz zwischen Regionen und Stadtstaaten waren ein Treiber der Innovation und Kreativität. Vielleicht würde uns auch wieder ein stärkerer Wettbewerb von Regionen und Städten helfen. Beispielsweise in Bezug auf die beste Bauordnung, die Bauen mit Bestand beflügelt, statt ihn in eine schwache Konkurrenzsituation zum Klimaschädling Neubau zu stellen, sobald man nur daran denkt mit dem Bauen zu beginnen.
Eine Wiedergeburt des mutigen Gestaltens ist gefragt, das von den technischen Innovationen des Einfachen ausgeht und das clevere Nutzen von Bestehendem ins Zentrum stellt. Es wird aber notwendig sein, regenerative Energie zu ernten, wo wir nur können. Denn nur so lässt sich überbrücken, dass ein Bestandsbau selten sinnvoll den betrieblichen Energieverbrauch auf ein absolutes Minimum optimieren kann. Es muss belohnt werden mit weniger mehr zu machen und eine höhere Dichte des Nutzens zu erreichen.
Seien wir gemeinsam mutiger, gehen wir mit einer neuen Taktik gewappnet in die nächste Runde und leiten wie die Renaissance Stadt und des Bauens in diesem Sinne ein.
Credits Fotos/Visualisierungen:
Beitragsbild: © REALACE
Bild 1: © Klingsöhr Projektentwicklung GmbH / REALACE
Bild 2: © REALACE
Bild 3: © REALACE
Bild 4: © REALACE
Bild 5: © REALACE
Bild 6: © REALACE / Jonas Holthaus
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