Das Paradigma für die Zukunftsorte der Arbeit: Multilokale Business Ökosysteme

Von Büroräumen zum Digitalnomadentum: Für künftige Arbeitswelten brauchen wir geeignete Kommunikationstrukturen und ein gelungenes Placemaking

Kaum ein Wort passt im Kontext von zukunftsorientiertem Business so gut wie Ökosysteme. Denn kaum eines beschreibt die Komplexität, in der wir uns befinden besser: es geht um die Vernetzung von allen und von allem. Als attraktive Strategie für Wirtschaft und Unternehmen findet mit der Popularität von Business Ökosystemen auch ein Paradigmenwechsel von klassischen Arbeits- und Rollenmodellen – diese gilt es, neu zu erfinden. Von stabilen und linearen Strukturen haben wir uns zu einem agilen Management bewegt und dies erfordert ein Umdenken: wir brauchen multilokale Business Ökosysteme.

Aus der Perspektive dieses Ökosystems entstehen verschiedene Elemente, die Unternehmen zunehmend dezentralisieren: Öffnungen über bestehende Industrie- und Unternehmensgrenzen nach außen, eine Transparenz fachlicher Kompetenzen sowie eine Veränderungsbereitschaft und Akzeptanz für neue Rollen. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ist darauf ausgelegt, unterschiedliche Angebote, Fähigkeiten und Dienstleistungen zu kombinieren.

Treibende Kraft dahinter sind veränderte, mit der Digitalisierung einhergehende Kommunikationsstrukturen. Eine Transformation, die eine Vielzahl von Möglichkeiten und Innovationen bietet, jedoch einen wesentlichen Faktor außer Acht lässt: die Orte, an denen wir uns nach wie vor physisch verbinden. Um diese in den nun notwendigen Paradigmenwechsel mit einzubeziehen, tut man gut daran, sich die allgemein gültige Definition eines Ökosystems wieder ins Gedächtnis zu rufen. Eine fruchtbare, kollaborative Einheit, die sich bekanntermaßen nicht allein aus der Interaktion der einzelnen Lebewesen bildet, sondern eng mit dem zur Verfügung stehenden Lebensraum kooperiert. Kurz gesagt: Auch in Business Ökosystemen gilt es, gelungenes Placemaking als wesentlichen Partizipant zu betrachten, da Räume und Orte noch immer als bestmögliche und erlebbare Identitätsträger für Unternehmen stehen – als starke Standorte für soziale Interaktion, Identitätsbildung und Anknüpfung an die physischen Notwendigkeiten der Arbeit.

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Aktive Pause: Das Funkhaus Nalepastraße direkt an der Spree gilt als eine der größten Multi-Studio-Anlagen der Welt und ist Teil des Ökosystems der Boom-Region Oberschöneweide.
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In der Denkweise der Netzwerkeffekte und übergreifenden Strukturen, auf der die Ökosystem- Perspektive ausgelegt ist, betrachten wir die Idee von multilokalen Business Ökosystemen als elementar.

Die Grenzen des klassischen Büros haben sich bereits aufgelöst, wir beobachten Veränderungen der Team- und Managementstrukturen sowie Dezentralisierung und Flexibilität innerhalb von Organisationen. Wir erkennen, dass neue, ortsunabhängige und nicht mehr an Schreibtische gebundene Technologien auch nach neuen Formen des Dialogs verlangen, um eine Entfremdung in der Mensch-Maschine-Interaktion zu vermeiden. Führungskräfte sowie Mitarbeiter sind auf der Suche nach neuen, Sinn stiftenden Tätigkeiten, Prozessen, Strukturen und besonderen Orten, an denen sie arbeiten wollen. Aus dieser Haltung heraus stehen Business Ökosysteme als zukunftsfähiges Modell für die Kollaboration und neue Marktrollen mehrerer Unternehmen. In Anbetracht der zunehmenden Verschmelzung von digitaler und physischer Welt, lassen sich bereits Einzelunternehmen als ins sich eigene, multilokale Ökosysteme betrachten, die über mehrere Standorte hinweg agieren. Es spricht nichts dagegen, denn nicht erst seit der Pandemie arbeiten wir von zu Hause, im Büro, in den Räumen von Kooperationsunternehmen, bei Auftraggebern, in der Bahn oder auch im Café.

Hauptsächlicher Treiber aller Veränderung unserer Arbeitswelten: Die Kommunikation. Sie ist einflussreichster und führender Strukturgeber für die Nutzungsvielfalt von Räumen und Orten.

Was folglich umso mehr benötigt wird, ist ein kollektives Mindset und der neuen Situation dementsprechend angepasste Arbeitsumgebungen. In Folge der fundamentalen Veränderung durch die Digitalisierung erfordern sie eine entsprechende Kommunikation und Räume. Unsere Büros sind mittlerweile weit mehr als nur statische Arbeitsstätten, sie sind dynamisch, vernetzt, haben zudem Einfluss auf den Klimawandel und sollen positive Erlebnisse bieten. Sie lösen sich von klassischen Vorstellungen über unsere Arbeitswelten und müssen als Kollektiv aus unterschiedlichsten Räumen aufgefasst werden, die in ein kommunikatives Netzwerk eingebunden sind.

Ort zum Forschen, Studieren, Arbeiten und Wohnen: Trudelturm vor dem Institut für Chemie Emil-Fischer-Haus auf dem Campus der Humboldt-Universität in Berlin Johannisthal GmbH

Daher empfiehlt es sich für Unternehmen, konkret zu ermitteln, welche Auswahl an Orten es für seine Mitarbeiter zur Verfügung stellt und für welche bestimmten Tätigkeiten diese am besten geeignet sind. Diese Bedürfnisse und Grundlagen gilt es, zu verstehen, um ein gutes Netzwerk aus attraktiven Orten als Teil erfolgreicher Business Ökosysteme zu kreieren. Das beginnt beim Vertrauen in die Fähigkeiten und die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und führt über die Organisation des virtuellen Schreibtisches zu der Frage nach der Identitätsstifung eines Standortes. Sorgfältig kuratierte Arbeitsumfelder und Orte übernehmen hier vor allem die Funktion des sozialen Miteinanders, des Zugehörigkeitsgefühls und nicht zuletzt der Bereitstellung notwendiger, nicht mobiler Hardware.

Denkt man weiter bedeutet dies aber auch, dass Unternehmensstandorte einen Mehrwert daraus ziehen können, indem sie Einrichtungen teilen und nutzen und so insgesamt mehr Arbeitsmöglichkeiten mit weniger Aufwand erreichen. Hier würde man bei Standards wie Besprechungsräumen anfangen und zu attraktiven Angeboten wie Co-Working- Situationen, mitarbeiterfreundlichen Hospitality-Einrichtungen, Kinderbetreuung in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes etc. übergehen. Inzwischen wissen wir, dass alternative Arbeitsformen möglich und umsetzbar sind und sie sowohl unsere Lebensqualität als auch unsere Produktivität erhöhen, indem wir mehr Fokus auf individuelle Umfelder und den eigenen Biorhythmus legen. Von Vorteil ist daher, die Einbeziehung der Arbeitswelten in die Quartiere und Nachbarschaften und zwar sowohl am Arbeitsplatz als auch am Wohnstandort. Zudem sind weitere Qualitäten wie kurze Wege und gute Erreichbarkeit erhebliche Faktoren im War for Talent und der Steuerung der Produktivität des eigenen Unternehmens – es ist mittlerweile ein Megatrend, von dort zu arbeiten, wo man sich wohl fühlt.

An solchen Orten erbringen wir nachweislich unsere beste Arbeitsleistung und ein reizvolles Umfeld kann zum Wettbewerbsvorteil werden.


Die Wiederentdeckung der Leuchtenfabrik schreibt den positiven Wandel im Berliner Südosten weiter fort. Die Ansiedlung von sechs Instituten der Humboldt Universität und nicht zuletzt die Hochschule für Technik und Wirtschaft haben bereits viel dafür getan, dass dieses Stück Berlin wieder so attraktiv geworden ist.

Betrachten wir Quartiere und Erdgeschossflächen als Teil des multilokalen Business Ökosystems, benötigen wir ein Verständnis davon und eine verantwortliche Immobilienentwicklung dafür, was dementsprechende Bürolandschaften sind oder sein sollen. Vermieter könnten sich hier aktiv als Coaches begreifen, strukturierte Beratungsprozesse anbieten und Unternehmen unterstützen, zur für sie besten Arbeitslandschaft zu kommen. Viele Mieter und besonders Großkonzerne ziehen nur alle paar Dekaden um, so dass sie den Anschluss an die Trends zukunftsweisender Arbeitslandschaften verlieren. Darüberhinaus gilt es, Mietern gemeinsame Angebote zu unterbreiten, denn im Zuge des Wandels im Betrieb der Flächen, werden zukünftig nicht mehr nur ganze Flächenpakete, sondern Satelliten in verschiedenen Bürokomplexen anmietbar sein, um sich zu einem Netzwerk guter Orte zu formieren.

In diesem Zusammenhang ist ein unumgänglicher und immanenter Aspekt die Dimension der Nachhaltigkeit. Die Idee der Multilokalität lässt sich zukünftig nur in Vernetzungen und Kreisläufen denken. Der ökologische Fußabdruck wird für so gut wie jede Unternehmensidentität wichtiger. Multilokale Business-Okösysteme geben die Antwort auf Fragen, wie wir unseren Flächenverbrauch optimieren können oder der Mobilitäts- und Energieaufwand eines jeweiligen Unternehmens ausfällt.

Mit einer veränderten Büroplanung auf dieser Basis müssten sich die Geschäftsmodelle der Vermietung zeitnah weiter entwickeln, denn für Mieter macht es zunehmend Sinn, weniger zu besitzen und viel mehr zu buchen. Warum ermöglichen wir nicht den eigenen Kooperationspartnern in gemeinschaftlich genutzten Flächen Die Wiederentdeckung der Leuchtenfabrik schreibt den positiven Wandel im Berliner Südosten weiter fort. Die Ansiedlung von sechs Instituten der Humboldt Universität und nicht zuletzt die Hochschule für Technik und Wirtschaft haben bereits viel dafür getan, dass dieses Stück Berlin wieder so attraktiv geworden ist. temporär zu arbeiten, sobald sie geschäftlich in der Stadt sind? Wir können und sollten solche besonderen Räume schaffen, die im Sharing von mehreren Mietern genutzt werden – das zöge vielleicht höhere Mieten mit sich, wäre aber geteilt weniger.

Arbeiten auf einem Boot, umgeben von Wasser der Rummelsburger Bucht – naturnah und doch zentral gelegen im revitalisierten, ehemaligen Industriestandort Oberschöneweide.

Kommen wir jedoch zurück zum hauptsächlichen Treiber aller Veränderung unserer Arbeitswelten: Die Kommunikation. Sie ist einflussreichster und führender Strukturgeber für die Nutzungsvielfalt von Räumen und Orten, sie bestimmt, ob beispielsweise ein Raum laut also für Austausch oder Zusammenarbeit oder leise für Stillarbeit genutzt wird. Vermieter sollten begreifen in welchem Netz von Orten und Kommunikationsstrukturen sich ihre Mieter befinden und welche neuartige technologische Unterstützung des Kommunikationsund Raummanagements sie brauchen.

Ein Umdenken unserer Arbeitswelten bedeutet somit, individuelle Ökosysteme und die Lebensumwelten und Orte zu erkennen, in denen es sich ausdrückt. Es würden uns perspektivisch neue, spannende, optimierte und produktivitätssteigernde Arbeitsumgebungen erwarten, die durch ganzheitliches Placemaking auch ökologische und soziale Verbesserungen eröffnen. Als zusammenfassende Maxime hergeleitet: Je klarer und gesamtheitlicher man diesen Ansatz der Business Ökosysteme erfasst und durchdringt, umso besser gelingt der notwendige Wandel unserer Arbeitswelten und eines nachhaltigen Wirtschaftens.

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