NEOCITY

Ein Weißbuch für den Innovations- und Boom-Korridor im Berliner Südosten und Brandenburg

Berlin hat Geschichte – eine sehr besondere und besonders wechselvolle, so dass sie in vielen Aspekten nicht vergleichbar ist mit den typischen Mustern anderer Metropolen ihrer Größenordnung. Mit der Eröffnung des neuen Berlin Brandenburg Airport wurde einmal mehr klar: Über Jahrzehnte besaß die Hauptstadt keinen bedeutenden Großflughafen.

Während in vielen internationalen Städte Airport-Areale zu Knotenpunkten extra muros und zu Magneten insbesondere für die gewerbliche Immobilienentwicklung wurden, fristeten die Berliner Flughäfen und ihr jeweiliges Umfeld über eine Wende und Jahrzehnte hinweg ein eher bescheidenes Nischendasein.

Wesentlich dynamischer ging es da in Frankfurt und München zu, von Chicago, London, Shenzhen, Paris und Zürich ganz zu schweigen. Hier entstanden „Entwicklungs-Korridore“ entlang der Achse Innenstadt-zu-Flughafen, die eine ganze Reihe in sich erfolgreicher Räume erzeugten; doch mangelte es auch ihnen an intelligenter Wertschöpfung, Urbanität und zukunftsfähigem Städtebau. Kurz nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens stellt sich nun die Frage: Kommt auch auf Berlin und Brandenburg wieder dasselbe Dilemma einer verdichteten, doch wenig urbanen Zwischenstadt zu? Oder könnte hier alternativ etwas Exemplarisches entstehen?

Die Region um den BER gewinnt wirtschaftlich mehr und mehr an Gewicht und über den Südosten der Stadt lässt sich ohne Übertreibung sagen: Hier boomt es! Auch in den angrenzenden Teile Brandenburgs geht es stetig aufwärts. Nicht nur im Hinblick auf Einwohnerzahlen und Arbeitsmarkt – eine überproportionale Entwicklung lässt sich auch im Spiegel der Grundstücks-, Gewerbe- und Büroflächenmärkte ablesen.

Gemeinsam mit Thomas Sevcik vom Thinktank „arthesia“ ist REALACE jedoch zu der Auffassung gekommen, dass dieses Areal nicht als reine Flughafenachse zu begreifen ist. Vielmehr spannt sich zwischen Ostkreuz und Neuköllner Hafen sowie Königs Wusterhausen und Grünheide ein Entwicklungskorridor auf, für den Motoren und Attraktoren – wie etwa die Wissenschaftsstadt Adlershof, das Tesla-Werk sowie die Agglomerationen aus Hochschulen und Unternehmen in Oberschöneweide und Wildau – wichtige Positionen darstellen. Darüber hinaus spielt auch die einzigartige Stadtlandschaft der Müggelspree eine beachtliche, somit beachtenswerte Rolle. 

 


Der Südosten Berlins mit den angrenzenden Gebieten Brandenburgs wird in den nächsten Jahren einem erhöhten Entwicklungsdruck ausgesetzt sein und sich zu einer regelrechten Boomregion entwickeln.

 

Obwohl im Kontext der BER-Eröffnung eine Entwicklung wie diese lange absehbar war, fehlte die Setzung eines charakteristischen Narrativs für diesen speziellen, länderübergreifenden und sehr heterogenen Stadtraum: 

Mit dem Weißbuch „NEOCITY“ haben wir diese Lücke nun geschlossen. Wie sehr unsere Initiative auf fruchtbaren Boden fiel, zeigt sich seit der Veröffentlichung nicht nur in der überragenden Resonanz im Fachpublikum, sondern auch darin, dass der Innovations- „Korridor” Südost – in diesem Wortlaut und mit einem eigenen Passus – jüngst auch Eingang in den Koalitionsvertrag der neuen Berliner Landesregierung fand. 

Die von uns beschriebene „NEOCITY“ zeichnet sich durch folgende Aspekte aus: Dynamik, Hybride und Angewandtheit. Neue Funktionen und Inhalte ebenso wie zukunftsweisende, dabei direkt angewandte, umgesetzte Ideen zu Mobilität, Nachhaltigkeit oder Wissensproduktion sowie neue Ideen in Städtebau und Urbanität sind enthalten. Die NEOCITY umfasst also wichtige Wachstumstreiber und vernetzt sie zu intelligenten Ökosystemen, ohne dabei die Opportunitäten einer Boom-Region zu schwächen. Von ausgesprochener Heterogenität geprägt, erlaubt sie auch hybride Formen des Arbeitens, Wohnens und der Freizeitgestaltung sowie spezielle, nicht alltägliche Funktionen, wie sie eine Metropole wie Berlin künftig weiter braucht. 

Im gleichnamigen Weißbuch wird daher auf folgende Module intensiver eingegangen: 

1_FAST CITY / SLOW CITY
NEOCITY hebt die Stadtlogistik auf eine zukunftsweisende neue Stufe. Entlang der Achse Kernstadt-Flughafen entsteht ein Raum von beschleunigter Dynamik, in dem Neues schnell erprobt, verworfen oder rekombiniert wird. Ein intensiviertes Angebot städtischer Infrastruktur organisiert sich durch ein Netz aus Kiezen mit einer „15-Minuten-Erreichbarkeit“ aller Funktionen. Im einmaligen Stadtlandschaftsraum der Müggelspree entfalten sich dagegen die Kunst und Kraft der Langsamkeit. Die Erreichbarkeit der in sich „langsamen“ Orte ist gleichzeitig als Schwerpunkt zu betrachten. 

2_NEOKIEZE
Auch außerhalb des Kerngebiets der Metropolregion muss heute Urbanität erzeugt werden. Die Reproduktion der Zwischenstadt von gestern ist zu vermeiden. Hingegen gilt es, dass „Berliner Erfolgsmodell“ des Kiezes zu fördern, mit dem neue städtische und stadtlandschaftliche Ökosysteme entstehen können. Als dezentrale Entwicklungsstrategie bilden die sogenannten „NEOKIEZE“ das neue Netzwerk der NEOCITY. Die Idee geht über klassische Wohnquartiere hinaus und definiert zusätzlich neue Logistikstandorte, zeitgemäße Forschungs- und Entwicklungsräume und eher landschaftsbezogene Orte. Aus den fünf Hauptmerkmalen von Kiezen – Abgeschlossenheit (Insellage), Überschaubarkeit, Identitätsstiftung, Nutzungsmischung und Akteursnetz – entsteht für jeden NEOKIEZ ein klares Handlungsprogramm. Im Verständnis des Zusammenspiels dieser Faktoren, sowie ihrer Aktivierung, besteht der Erfolg einer solchen Stadtentwicklung. 

3_NEUE HYBRIDE
Verändert wird auch das Bild von Urbanität und Nutzungsmischung; durch den Wandel der Funktionen und ihrer Wechselbeziehungen verwischen konventionelle Grenzen zu neuen Hybriden. Diese können nur in der nicht-europäischen Stadtstruktur von NEOCITY stattfinden, ohne gezwungen oder künstlich zu wirken. 

4_NEUE WERTSCHÖPFUNGSFORMEN
Als eine Art „Zwischenstadt advanced“ ist die NEOCITY auch Schauplatz und Anwendungsort neuer Wertschöpfungsmodelle. Zwar werden sich die starken Sektoren wie Logistik, Backoffices sowie der MICE-Sektor (Meeting, Conference, Events, Incentives) auch im weiträumigen Umfeld des Flughafens BER ansiedeln, jedoch werden sie durch neuartige und besondere Ausprägungen sowie hybride Nutzungsformen angereichert. Besonderes Potenzial liegt hier in den Bereichen Neomanufacturing und Wissensproduktion. Schaulager, Vertical Farming, Last-Mile-Production und Intelligent Warehousing verschneiden getrennte Nutzungsarten zu neuartigen Hybriden; neue MICE-Angebote in Flughafennähe verbinden sich mit Prototyping und beleben auch Standorte im Grünen und am Wasser völlig neu. 

In unserem Weißbuch verzichten wir bewusst darauf, eine bestimmte Auswahl von Branchen zu fördern oder hervorzuheben – es wird eher das Modellhafte eines erfolgreichen Ortes identifiziert und neu angewandt: Erfolgreiche Pfade werden schnell verdichtet, Wachstumsmotoren verstärkt oder schlichtweg verdoppelt und vernetzte Ausbreitung vorangetrieben. 

5_ANGEWANDTE WISSENSCHAFT & ENTWICKLUNG
Die zentrale Ressource der Stadt: Wissen. Von entschleunigten Denkräumen bis hin zu schnellen Orten der Anwendung. NEOCITY legt den Fokus auf die Entwicklung und den Transfer von Wissen. Bestehende Plattformen werden im Zuge dessen verstärkt und durch Infrastrukturen des Testings und Protoypings ergänzt. Analog müssen sich neue Wissenszentren am Standort ansiedeln und bestehende Hochschul- und Forschungsinstitutionen oder gewerbliche Produktionskerne komplettieren.

NEOCITY soll nicht weniger sein als der Beginn einer Bewegung und der Anstoß eines ganzheitlich geführten Diskurses über die Flughafenareale von morgen. Es zeigt ein umfassendes Konzept für alle Handelnden, um ein neues und innovatives Stück Stadt zu entwickeln; verbunden mit der expliziten Einladung, unsere Ideen aufzugreifen, zu interpretieren und weiterzutragen. Als Weißbuch schließt es die Fehlstelle, eine Vision für die Entwicklung des „Boom-Korridors“ im Südosten der Metropole formulieren und teilen zu können. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, die Meta-Geschichte Berlins als Stadt, die immer im Werden begriffen, die nie fertig ist, weiterzuerzählen und gemeinsam – Berlin und Brandenburg im Verbund – motiviert zu entfalten.

 

Diese nicht vollständige Übersicht über mögliche Leitprojekte dient als Visualisierung der NEOCITY-Idee. Zentral sind drei mögliche große Kern-Events, die in den Jahren 2025–2035 in kurzer Abfolge nacheinander stattfinden sollten.

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